1.Schultag

Hallo ihr Lieben,

Heute hatte ich meinen ersten ofiziellen Schultag als Lehrerin.
Der Schulleiter hat mir heute meinen Stundenplan in die Hand gedrückt, daraufhin durfte ich auch gleich in die Klasse stürmen und mit dem Unterricht los legen.
Also bin ich auch ohne irgend eine Art von Lehrplan oder Unterrichtsvorbereitung in meinen ersten Unterricht gegangen und habe mithilfe des Schülerbuchs improvisiert.


Ich unterrichte teilweise allein oder mit anderen Lehrern bzw. Freiwilligen die Klassen 4 bis 6 in folgenden Fächern: Life Skills (vergleichbar mit Ethik), Deutsch, Kunst und (indisches) Allgemeinwissen.


Als ich in meinen ersten Unterricht ging, es war eine 4.Klasse, war ich noch einigermaßen selbstbewusst. Aber als ich rauskam, fühlte ich mich verzweifelt.
Als Schülerin habe ich nie verstanden, warum manche Lehrer einfach so furchtbar streng waren und sich über so viele Kleinigkeiten aufgeregt haben. 


Ich denke, dass ich es heute verstanden habe.


Ich hab mir ehrlich gesagt nie vorstellen können, wie frustrierend es sein kann vorne zu stehen und um Ruhe zu bitten und kaum hat sich die Tuschelei gelegt, bricht eine neue Welle von Chaos aus, weil jemand einer Schülerin die Stifte geklaut hat.
Schließlich habe ich herausgefunden, dass Kinder den Schweigefuchs mögen, als ich dieses Handzeichen einführte, wurde es blitzartig still. 


Eine andere Sache ist es auch laut zu sprechen, wenn die Klasse aus 30 SchülerInnen besteht, bei denen man es gerade so geschafft hat die einen zu beruhigen, die anderen jedoch schon wieder zu tuscheln beginnen und dazu noch gegen 4 laute Ventilatoren ankommen muss.
Ohne Ventilatoren ist es einfach unerträglich schwül. Wir haben gerade übrigens Monsumzeit, aber hier im Norden regnet es eher gelegentlich und ist nicht vergleichbar mit dem, was im Süden Indiens passiert.


Meine Schüler sind so neugierig, sie könnten mich einfach stundenlang mit Fragen löchern. Am liebsten würde ich auch sie mit Fragen löchern und mit ihnen über Gott und die Welt reden, aber ich weiß auch, dass sie ihre Themen lernen müssen, weil es benotet wird und eine blöde Zeugnisnote kann so viel ausrichten! Sie hat Macht über die Reaktion der Eltern, das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl des Schülers und kann entscheidend über spätere Berufschancen sein. Ich galube, dass eine Note noch viel mehr kann, als nur diese drei Berreiche zu beeinflussen, aber genau diese drei sitzten mir im Nacken, wenn ich merke, dass ich mit dem Unterricht nicht voran komme, weil es einfach wieder zu laut ist, ein paar Störenfriede sich beweisen müssen oder die Schüler einige englisch Vokabeln nicht verstehen. 

Ich der Schule wird grundsätzlich in englisch unterrichtet.

Ich glaube es fällt mir so schwer streng zu meinen Schülern zu sein, weil ich viel mehr das Gefühl habe mit ihnen auf einer Ebene zu stehen und ich möchte daran auch nichts ändern, indem ich mich als Autoritätsperson mit strengen Regeln über sie stelle. 
Aber wie unterrichtet man auf Augenhöhe? 

Genauer betrachtet, bin ich noch nicht einmal eine qualifizierte Lehrkraft, ich habe gerade selbst die Schule beendet und die Lehrerinnen, die sonst an der Shishya School unterrichten, haben in jedem Fall irgendeine qualifizierte Lehre hinter sich. Eigentlich sollte es mir auch nicht erlaubt sein Noten zu geben. Ich hoffe auch, dass ich es nicht tun muss. Da wird mir eine Verantwortung zu teil, die mir gar nicht zu steht und die mir auch zu groß ist.

Nach meinem ersten Schultag fühle ich mich, als seien mir diese Schuhe zu groß und als müsse ich noch da rein wachsen
.
Aber habe ich etwas anderes erwartet?


Vor allem aber im Fach: Indisches Allgemeinwissen. 
Es klingt einfach zu ironisch, ich, als Nicht Inderin, indischen Kindern etwas über ihr eigenes Land beizubringen.

Was mich ebenfalls verstimmt hatte, war, dass die Schüler überwiegend Frontalunterricht gewohnt sind. Der Lehrer spricht, sie schreiben es mit und lernen es auswendig.

Als ich sie aufforderte etwas frei zum Thema "good habits" zu zeichnen oder zu schreiben, haben mich einige der Schüler gefragt, was ich genau damit meinte. Als ich es ihnen durch ein Beispiel verdeutlichte, fragten mich andere, ob sie das Bild aus dem Schulbuch dazu abmalen konnten. Ich habe einfeichheitshalber behauptet, das Bild sei falsch und sie sollen sich selbst etwas dazu überlegen. 

Als ich eine Schülerin zum Präsentieren aufrief, fand ich Teile ihres Textes im Schulbuch wieder. 

Es hat mich etwas aus der Bahn geworfen, dass die Kinder(die sonst so eine wundervolle Fantasie  besitzten), sich nicht trauten selbst kreativ zu sein oder vielleicht auch nicht so recht wussten wie, weil sie es nicht gewohnt waren. 
Es stimmte mich traurig, dass sie möglicherweise dachten, ein Bild aus dem Schulbuch sei besser oder richtiger als ihre eigenen Ideen.

Ich sehe viele Herausforderungen auf mich zu kommen, aber ich möchte mich ihnen stellen und mich nicht entmutigen lassen, falls Dinge nicht so klappen, wie man es sich wünschen würde.

Ich hoffe sehr, dass ich die Schulzeit noch anders erlebe und sie euch auch von anderen Seiten zeigen kann. Dieser Beitrag spiegelt meine Gefühls und Eindruckswelt vom ersten Schultag wieder, was aber noch sehr begrenzt ist. 
Ich möchte in der Zukunft über kleine Veränderungen erzählen können, und hoffe darauf, dass ich in diesem Jahr um eine Schuhgröße mehr wachse.

Das alte Schulgebaeude der Shishya School ;-)

Kommentare

  1. Wow spannender Tag! Einmal ins Wasser geworfen und losschwimmen, du wirst darin wunderbare Erfahrungen machen und auch langsam in deine Schuhe wachsen.
    Autorität bekommt man nicht nur durch Strenge sondern kann man sich erarbeiten... Ich wünsche dir viel Weisheit und Klarheit! :-)

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